Regionalplan verfehlt Nachhaltigkeitsziele

Stellungnahme von Bündnis 90/Die Grünen (Werther) zum 2. Entwurf des Regionalplans OWL 2023

 

Auch der zweite Entwurf für den Regionalplan OWL der Bezirksregierung Detmold[1] hält erklärte Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung(en) nicht ein. Dies halten wir für einen eklatanten Verstoß gegen das staatliche Vorsorgeprinzip[2], der unsere Lebensgrundlagen gefährdet.[3] Nach einem Abschnitt zur allgemeinen Einordnung („Hintergrund“) führen wir drei wesentliche Aspekte an, um unsere Kritik zu begründen, die sich alle auf die im Regionalplansentwurf zugestandene Versiegelung hochwertiger Wertheraner Böden beziehen. Unser abschließendes Fazit richtet sich in seinen Forderungen an die Bezirksregierung Detmold, den Kreis Gütersloh sowie die Stadt Werther.

Hintergrund

Der neue Regionalplan OWL ist für die kommenden zwei Jahrzehnte die maßgebliche Planungsgrundlage für die zukünftige Entwicklung der Region. Er beansprucht, eine bedarfsgerechte kommunale Flächenpolitik zu ermöglichen und mit den ökologischen Funktionen des Naturraums OWL in Einklang zu bringen.

Fläche ist ganz offensichtlich eine begrenzte Ressource. Wir Menschen benötigen sie für den Anbau von Lebensmitteln, Gewinnung von Rohstoffen, Wohnraum, Raum für die Entwicklung und Ansiedlung von Industrie und Gewerbe, für unsere Mobilität sowie für die Erzeugung von Energie. Grundlage für alles Leben sind jedoch sicherlich intakte Ökosysteme. Denn deren vielfältige und vernetzte Funktionen garantieren, dass wir sauberes Wasser zum Trinken, Luft zum Atmen, fruchtbare und hinreichend feuchte Böden für den Anbau von Lebensmitteln zur Verfügung haben und einen Puffer, um sich in Zeiten des Klimawandels veränderten Bedingungen anpassen zu können. Dabei müssen wir die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen im Blick behalten. Denn versiegelte Flächen lassen sich nicht auf Knopfdruck für ökosystemare Leistungen und den Anbau von Lebensmitteln regenerieren. Es kann Jahrhunderte dauern, bis ihre Funktion wiederhergestellt ist – manche regenerieren in den zeitlichen Dimensionen unserer Spezies nie wieder. Die planetare Grenze zur Landnutzung ist bereits heute deutlich überschritten.[4]

Deshalb stellt sich die Frage, wie viel Fläche überhaupt noch versiegelt werden darf, um einem Verlust wichtiger Funktionen von Ökosystemen, der Bodendegradation und einer Abnahme der biologischen Vielfalt erfolgreich entgegenwirken zu können. In der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie sind Maßnahmen für Deutschland festgelegt zur Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, auf die man sich international 2015 im Rahmen der Agenda 2030 geeinigt hat. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie[5] gibt eine praktische Orientierung und operationalisiert auch für den Flächenverbrauch, wie nachhaltige Entwicklung konsequent bei allen Entscheidungen anzuwenden ist. Demnach soll die Inanspruchnahme zusätzlicher Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke bis zum Jahr 2030 auf durchschnittlich unter 30 Hektar pro Tag begrenzt werden.[6] Bis zum Jahr 2050 wird eine Flächenkreislaufwirtschaft angestrebt. Flächenkreislaufwirtschaft bedeutet, dass netto keine weiteren Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke beansprucht werden.

Da der Wert unversiegelter Flächen erkannt und die zerstörerische Wirkung fortschreitender Versiegelung für Ökosysteme und Artenviefalt belegt ist, formuliert bspw. das Umweltministerium NRW seit Jahren – und damit Partei-übergreifend (!): Die Vermeidung von Bodenversiegelung ist ein vorrangiges Ziel. Daher soll generell nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz so wenig Fläche wie möglich in Anspruch genommen werden. Flächen beanspruchende Planungsvorhaben müssen auf besonders schutzwürdigen Böden so weit wie möglich vermieden werden. Der vorsorgende Bodenschutz ist bei relevanten Planungen zur berücksichtigen und kann zur Ausweisung von Bodenschutzgebieten führen.[7]
Umso mehr verwundert die mangelhafte bzw. fehlende Umsetzung der landes- bzw. bundesweiten Bodenschutz- und Flächenziele im zweiten Entwurf des Regionalplans OWL.

1. Kritikpunkt: Mangelnder Schutz besonders hochwertiger Böden

Als einzige Kommunen im Kreis Gütersloh besitzen Werther und Borgholzhausen Böden der obersten Güteklasse. Hier ist der mehlartigen Flugstaub (Löß) des Eiszeitalters zu fruchtbaren, wasserspeichernden braunen Böden (Parabraunerden) verwittert.[8] Dennoch sind mit den Plangebieten GT_Wer_ASB_001, GT_Wer_ASB_003 und GT_Wer_ASB_004  in Werther nach wie vor Flächen mit solchen wertvollen Böden für eine weitere Bebauung von der Bezirksregierung Detmold im Regionalplanentwurf vorgesehen. Zwar wird erwähnt, dass bei diesem Kriterium erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Dennoch hat diese Erwartung „aufgrund der geringen Gewichtung des Kriteriums“, leider keine Auswirkungen auf die Ausweisung als Plangebiet.[9] Hier  gefährden also die Planer:innen wissentlich die langfristige regionale Ernährungssicherheit insbesondere in Zeiten des Klimawandels. Das Plangebiet GT-Wer_ASB_008, das sich auch durch hervorragende Bodengüte auszeichnet, liegt überdies innerhalb von Ausgleichsflächen mit höchster thermischer Ausgleichsfunktion. Dennoch wurde es trotz der zu erwartenden „erheblichen Umweltauswirkungen“ gegenüber dem ersten Entwurf noch vergrößert. Die  genannten Gebiete als zukünftiges Bauland auszuweisen, widerspricht Resilienzbestrebungen im Hinblick auf Ernährung, Wasserhaushalt und Hitze und damit dem eingangs erwähnten Vorsorgeprinzip. Eine solche Planung ist nicht nachhaltig und für uns deshalb nicht akzeptabel.

2. Kritikpunkt: Unwirksame Priorität beim Flächenrecycling

In Werther gibt es eine Industriebrache mit erheblichem Flächenanteil im Stadtgebiet, das sog. Weco-Gelände. Sie allein würde für die nächsten zwei Jahrzehnte völlig ausreichen, um Werthers Flächenbedarf zu decken. Statt zu gewährleisten, dass zusätzliche Flächen erst dann versiegelt werden dürfen, wenn alle bereits versiegelten Flächen, die derzeit nicht genutzt werden, einer Nutzung zugeführt sind, erlaubt die Bezirksregierung auch mit ihrem zweiten Entwurf die Bebauung derzeit unversiegelter Flächen trotz Vorhandenseins von Industriebrachen. Eine klare Priorität für Flächenrecycling von Seiten der Bezirksregierung würde den Druck auf eine erneute Nutzung dieser Fläche stark erhöhen. Ohne diesen Druck steht zu befürchten, dass das Weco-Gelände weitere zwanzig Jahre brachliegen wird bevor es vielleicht irgendwann einmal von seinen Altlasten befreit und recycelt wird. Bis dahin gefährdet dieses Gelände durch die eingelagerten industriellen Schadstoffe weiterhin das Oberflächen- und das Grundwasser.

3. Kritikpunkt: Flächenziele deutlich überschritten

Die Eckdaten der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie haben wir genutzt, um die im Regionalplan ausgewiesenen Flächenkontingente in ihrem Gesamtumfang zu überprüfen. Das Vorgehen ist in Abb. 1 illustriert.

Abb. 1: Illustration der Vorgehensweise zum Vergleich der Flächenziele der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) mit den im Regionalplanentwurf OWL genannten Flächenkontingenten. (A) Die DNS gibt ein Flächenziel von max. 30 Hektar/Tag für das Jahr 2030 vor. Bis 2050 soll es keinen Flächenverbrauch mehr geben (entspricht 0 Hektar/Tag) (B) Im Anhang 1 der textlichen Festlegung des 2. Entwurfs des Regionalplans für OWL sind ab S. 315 die Flächenkontingente für Bauland für die einzelnen Kommunen genannt. Die 34 Hektar für Werther setzen sich aus 6 ha für Siedlungsfläche und 28 ha für Gewerbe zusammen.  (C) Geht man von einer gleichmäßigen Neuversiegelung über den Gültigkeitszeitraum des RP aus (2025-2045), stehen Werther laut diesem Entwurf pro Jahr 1,62 Hektar zu (rotes Rechteck, das im unteren Bereich durch die blaue Fläche verdeckt ist). Dies ist deutlich mehr, als Werther im Rahmen der Vorgaben aus der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie noch versiegeln darf (blaues Vieleck).   

Geht man von einem bundesweiten Flächenverbrauch von 55 Hektar pro Tag (ha/T) im Jahr 2020 aus, muss sich dieser Verbrauch jährlich um 2,5 ha/T verringern, um im Jahr 2030 bei maximal 30 ha/T zu landen. Die jährliche Einsparung ab 2030 kann etwas geringer ausfallen, um dennoch im Jahr 2050 bei 0 Hektar/Tag anzukommen (Abb. 1A). Daraus ergibt sich ein maximaler Flächenverbrauch für den vom Regionalplan OWL abgedeckten Zeitraum 2025-2045 (blaue Fläche in Abb. 1A). Im 2. Entwurf des Regionalplans OWL sind für Werther Flächenkontingente zur Bebauung von insgesamt 34 Hektar vorgesehen (Abb. 1B)[10]. Um diese beiden Angaben miteinander zu vergleichen, haben wir einerseits den in der DNS spezifizierten täglichen Flächenverbrauch in einen jährlichen umgerechnet. Andererseits haben wir berücksichtigt, dass das Bundesgebiet mit 35.758.100 Hektar etwa 10.000-mal größer ist als Werther (3542 Hektar) und entsprechend Werthers Anteil am Gesamtflächenverbrauch ermittelt (Abb. 1C). Es fällt ins Auge, dass der rote Bereich mit den Angaben aus dem Regionalplanentwurf die Vorgaben aus der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (blau) deutlich überschreitet. Für die Jahre 2025-2045 – den voraussichtlichen Geltungszeitraum des neuen Regionalplans OWL – ergibt sich eine maximale mit der DNS verträgliche Flächeninanspruchnahme von knapp 17,6 Hektar. Allerdings werden die Vorgaben der aus der Agenda 2030 abgeleiteten Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie durch die im Regionalplan genannten Flächenkontingente in Höhe von 34 Hektar um nahezu 100 % überschritten (Abb. 2). Noch drastischer sind die Überschreitungen in anderen Kommunen des Kreises, so dass sich insgesamt für den gesamten Kreis Gütersloh ein Faktor von 5,6 zwischen nachhaltigem und im Regionalplan vorgesehenen Flächenverbrauch ergibt.

Abb.2: Die Obergrenze für den Flächenverbrauch der Stadt Werther im zweiten Regionalplanentwurf (RP, rot) ist fast doppelt so groß (Faktor 1,92) wie die durch die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (DNS, blau) vorgegebene Obergrenze.

Abb.2: Die Obergrenze für den Flächenverbrauch der Stadt Werther im zweiten Regionalplanentwurf (RP, rot) ist fast doppelt so groß (Faktor 1,92) wie die durch die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (DNS, blau) vorgegebene Obergrenze.

Angesichts dramatischer Befunde zu Biodiversitätsverlusten und anderen Auswirkungen veränderter Landnutzung formuliert das Integrierte Umweltprogramm des Umweltbundesamts[11] ein ambitionierteres Flächenziel von 20 Hektar pro Tag in 2030, das wir lediglich nicht in unseren Berechnungen verwendet haben, um möglichst anschlussfähig zu bleiben. Wir weisen allerdings darauf hin, dass wir es als absolut erforderlich ansehen, dieses ambitioniertere Ziel einzuhalten.

Fazit: Flächenverbrauch muss bereits vereinbarte Grenzen einhalten

Der Befund, dass der Regionalplan für die Stadt Werther (sowie für jede einzelne Kommune im Kreis!) gesetzte Grenzen überschreitet, die ja bereits einen Kompromiss aus den verschiedenen Nutzungswünschen darstellen, ist alarmierend und keinesfalls hinnehmbar. Eine derartige Fortsetzung der Landnutzungsstrategien der letzten Jahrzehnte gefährdet den Erhalt ökosystemarer Funktionen in der Region. Wir fordern deshalb die Bezirksregierung, den Kreis Gütersloh sowie die Stadt Werther auf,

(i) die in der Nachhaltigkeitsstrategie formulierten Flächenziele im Regionalplan auf die Kommunen abzubilden.

(ii) Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass beim Erreichen der Grenze für den Kreis/den den Bezirk keine weitere Versiegelung mehr stattfindet.

(iii) Verantwortung für die Einhaltung der Flächenziele zu übernehmen.

(iv)  sich dafür einzusetzen, dass die Kommunen sich jenseits der Einnahmen aus Gewerbe- und Einkommenssteuer entwickeln können. Denn andernfalls wird die Lokalpolitik aus wirtschaftlichen Gründen weitere Flächenversieglung wünschen.

Dr. Anne-Kathrin Warzecha
im Namen der Fraktion „Bündnis 90/Die Grüynen“ im Wertheraner Stadtrat

 

Anmerkungen

[1] https://www.bezreg-detmold.nrw.de/wir-ueber-uns/organisationsstruktur/abteilung-3/dezernat-32/regionalplan-owl-23

[2] https://www.umweltbundesamt.de/vorsorgeprinzip

[3] Bemerkenswert ist, dass der Begriff „Nachhaltigkeitsstrategie“ in der textlichen Festlegung des neuen Regionalplanentwurfs lediglich einmal vorkommt – als würden dort nicht ganz konkrete Maßnahmen festgelegt, die auch den Rahmen für einen zukünftigen Regionalplan vorgeben.

[4] https://helmholtz-klima.de/planetare-grenzen-land-wald

[5] Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Weiterentwicklung 2021. Herausgeber: Die Bundesregierung. März 2021.

[6] Ursprünglich sollte dieses Flächenziel bereits 2020 erreicht sein. aus: Die Böden Deutschlands, UBA, 2010;  https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/boeden-deutschlands  Die Notwendigkeit, Böden zu erhalten und nicht weiter zu versiegeln, ist also schon lange erkannt!

[7] https://www.umwelt.nrw.de/umwelt/umwelt-und-ressourcenschutz/boden-und-flaechen/bodenschutz

[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Werther_(Westf.), https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/flyer-boden-des-jahres-2021-loessboden

[9] Angaben in diesem Abschnitt basieren auf Umweltbericht Anhang C 1

Prüfbögen: Kreis Gütersloh des Regionalplanentwurf OWL 2023 S. 663 ff.

[10] Flächenkontingente entnommen aus Anhang 1 der Textlichen Festlegung des 2. Entwurf RP OWL, S.315 ff

[11] https://www.bmuv.de/publikation/den-oekologischen-wandel-gestalten

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