Die Grünen und die Einbahnstraße 

Der Verkehrsversuch – d. h. die Einrichtung einer Einbahnstraße auf einem kleinen Teil der Ravensberger Straße – hat in Werther kontroverse Diskussionen ausgelöst. Derzeit überlegen die Gegner, angeführt von der Werbegemeinschaft der Kaufleute, eine Bürgerbefragung zu initiieren gegen die Empfehlung des Stadtrates, die Einbahnstraße zu verstetigen. Wie stehen die Grünen zu der Einbahnstraße?

Viel zu eng für Begegnungsverkehr, wie das Bild zeigt: die Ravensberger Straße in Werther beim Elektrogeschäft Bökenkamp (Foto: Haller Kreisblatt)

 Wie kam der Beschluss zur Einbahnstraße zustande?

In einem von der Stadt in Auftrag gegebenem Verkehrsgutachten war festgestellt worden, dass die sehr enge Ravensberger Straße häufig als Abkürzung von durchfahrenden Autos genutzt wird, um sich z. B. Wartezeiten vor der Ampel zu ersparen. Das führte oft zu unklaren Situationen begegnender Autos vor den Bauminseln und zu Behinderungen und Gefährdungen von Fußgängern und Radfahrern. Daher hatten die Gutachter u.a. empfohlen, ein Teilstück der Ravensberger Straße zur Einbahnstraße zu machen. Das Gutachten enthielt darüber hinaus noch viele andere Verkehrsvorschläge.

Wir Grüne hatten eigentlich erwartet und gefordert, dass die Verwaltung einen Beschlussantrag vorlegt, der diese Vorschläge in einem Gesamtkonzept vereinigt. Ein solcher Beschlussvorschlag wurde aber von der Verwaltung bis heute nicht vorgelegt. Als dann die SPD-Fraktion Ende 2021 einen Antrag stellte, die Einbahnstraße zunächst in einem Verkehrsversuch für ein Jahr einzurichten, haben die Grünen dem zugestimmt. Der Versuch wurde daraufhin vom Mobilitätsausschuss mit großer Mehrheit beschlossen.

Was sollte mit der Einbahnstraße erreicht werden?

Der Verkehr in der Ravensberger Straße sollte insgesamt reduziert werden, insbesondere sollte der Durchgangsverkehr auf die Umgehungsstraßen umgeleitet werden. Die schwierigen „Begegnungssituationen“ von entgegenkommenden Autos, Radfahrern und Fußgänger an den Engstellen sollten vermindert werden. Damit sollte die Sicherheit besonders für Fußgänger und Radfahrer erhöht werden. Langfristiges Ziel war und ist, die Aufenthaltsqualität in Werthers Innenstadt zu erhöhen.

Sind die Ziele erreicht worden?

Im Wesentlichen ja. In einer Umfrage des versuchsbegleitenden Instituts haben ca. ¾ der befragten Fußgänger und Radfahrer angegeben, ihr Sicherheitsgefühl habe sich durch die Einbahnstraße verbessert. Der Autoverkehr, insbesondere der Durchgangsverkehr hat abgenommen. Die Geschwindigkeit der durchfahrenden Autos hat abgenommen. Die Anwohner sagen mehrheitlich, dass der Verkehrslärm abgenommen habe. Sicher bleibt aber, um die Aufenthaltsqualität zu verbessern, noch eine Menge zu tun.

Welche Nachteile hat die Einbahnstraße?

Einige Autofahrer müssen, wenn sie mit dem Fahrzeug z. B. zum Einkaufen in die Stadt wollen, kleinere Umwege machen, wenn sie direkt vorm Geschäft parken wollen. Der Verkehr auf den „Ausweichstraßen“ (Bahnhofstraße, Tiefenstraße) hat leicht zugenommen. Manche Bürger fühlen sich durch die Einbahnstraße behindert, mit dem Auto alle Orte in Werther bequem zu erreichen.

Was sagen die Gegner der Einbahnstraße?

Die Einbahnstraße ist bei etlichen Wertheraner Bürgern nicht beliebt. Bei den Befragungen haben sich eine Mehrheit der Teilnehmenden dagegen ausgesprochen, allerdings nur bei denjenigen, die angegeben haben, vorwiegend mit dem Auto unterwegs zu sein. Die FDP und die WDGA waren von Anfang an gegen den Verkehrsversuch und haben schon nach zwei Wochen beantragt, ihn zu beenden, haben dieser Lösung also nie eine Chance gegeben. Ebenso hat die Werbegemeinschaft in Zeitungsartikeln und mit einer fragwürdigen Umfrage versucht, den Versuch auszuhebeln. Zuletzt hat die CDU-Fraktion, die der Einbahnstraße anfangs zugestimmt hatte, ihre Meinung geändert und ist in das Lager der Gegner umgeschwenkt. Die vorgebrachten Argumente gegen die Einbahnstraße halten wir Grüne für wenig überzeugend. Die geringfügigen Umwege, die die Autofahrer nun machen müssen, sind zumutbar. Vorgebrachte Umsatzverluste der Geschäftsleute sind nicht belegt, wenn überhaupt vorhanden, sind sie wohl mehr auf das derzeitige Kaufverhalten (Internet-Konkurrenz!), auf Krise und Inflation zurückzuführen, nicht auf die Einbahnstraße! Alle Versuche, mit den Gegnern konstruktiv über Lösungen zu sprechen (zu diesem Zweck wurde von der Stadt extra eine Arbeitsgruppe eingerichtet!) wurden von diesen nicht genutzt.

Mehr CO2 durch die Einbahnstraße?

Die CDU hat verbreitet, durch die kleinen Umwege, die man wegen der Einbahnstraße machen müsse, werde letztlich mehr CO2 erzeugt als vorher. Nach unserer Meinung sind solche Berechnungen abwegig. Ob man mit dem Auto durch die Ravensberger Straße oder durch die Bahnhofstraße fährt, spielt für die CO2-Bilanz praktisch keine Rolle. Wirklich CO2 einsparen kann man nur, wenn man für immer mehr Wege ganz auf das Auto verzichtet. Das geht besonders gut beim Einkaufen im Nahbereich. Und einen Verzicht auf Autofahrten bei Kurzstrecken schafft man nicht, indem man die Zufahrt für Autos überall erleichtert. Schon, wenn nur wenige Bürger ihr Auto am Stadtrand parken und zu Fuß einkaufen gehen, stimmt die CDU-Berechnung nicht mehr!

Gibt es Alternativen zur Einbahnstraße?

Fast nichts ist alternativlos. Folgende Möglichkeiten wurden genannt:

  • Man könnte die Einbahnstraße „umdrehen“. Da aber der meiste Durchgangsverkehr von Stadtmitte Richtung Herford floss, wäre das im Hinblick auf Verkehrsberuhigung nicht sinnvoll. Und die Nachteile blieben dieselben.
  • Eine Fahrradstraße einrichten. Dafür fehlen aber sämtliche Voraussetzungen (Straßenbelag, Anteil des Fahrradverkehrs…)
  • Schilder aufstellen: „Einfahrt verboten, Anlieger frei“. Das wäre im Prinzip möglich. Aber: niemand könnte kontrollieren, ob dann wirklich nur Anlieger in die Straße einfahren!
  • Sperrung der Ravensberger Straße zwischen der alten Post und der Adler-Apotheke. Das würde die Innenstadt künstlich in zwei Teile aufspalten. Für die Autos gäbe es schwierige Wendemanöver an der Sperrungsstelle.
  • Einen „Verkehrsberuhigten Bereich“ in der gesamten Ravensberger Straße Dann dürfte dort nur noch Schrittgeschwindigkeit gefahren werden, Fußgänger hätten Vorrang. Eine solche Lösung ist denkbar, die Straße müsste aber dazu mit hohem finanziellem Aufwand komplett umgestaltet werden. Derzeit sind solche Kosten für die Stadt nicht tragbar. Die Gutachter sagen außerdem, dass ein „Verkehrsberuhigter Bereich“ an dieser Stelle nur in Zusammenhang mit einer Einbahnstraße denkbar wäre.
  • Die Tiefenstraße und die Alte Bielefelder Straße sperren. Das hatte zuletzt die Werbegemeinschaft vorgeschlagen. Allerdings waren solche Pläne bereits in der Vergangenheit, u.a. am Widerstand der Anwohner gescheitert.

Was ist das Fazit der Grünen?

Wir sehen die Einbahnstraße derzeit als die einzige realistische Möglichkeit an, die oben genannten Ziele zu erreichen. Die aufgezählten Alternativen haben entweder mehr Nachteile, sind aus verkehrstechnischen Gründen nicht möglich oder zu teuer.

Was sind die übergeordneten Ziele grüner Verkehrspolitik in Werther?

Wir sind der Meinung, dass in Werther – wie überall in Deutschland – alles getan werden muss, um die immer stärker gewordene Verkehrsbelastung zu reduzieren. Insbesondere muss der Individualverkehr mit Verbrennungsmotoren reduziert werden.  Motorisierter Verkehr erzeugt viel Lärm, braucht viel Platz, belastet die Umwelt mit CO2 und Feinstaub und trägt damit entscheidend zum Klimawandel bei. In der Vergangenheit wurde in der Verkehrsplanung fast ausschließlich an die Autofahrer gedacht: Platz wurde überall geschaffen für Straßen, Autobahnen und Parkplätze. Das muss sich jetzt ändern. Weil aber die Verkehrsflächen begrenzt sind, wird man den Autos zugunsten von Fußgängern und Radfahrern hier und da Raum wegnehmen müssen. Die umweltfreundlicheren öffentlichen Verkehrsmittel müssen überall verstärkt gefördert werden. Die Innenstädte sollen wieder zu lebendigen Begegnungszonen umgebaut und ausgestaltet werden, statt zu lauten Durchfahrzonen und Massenparkplätzen zu verkommen.

Das bedeutet: die Bürger sollen motiviert werden, für kürzere Strecken überall wo möglich zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Das gilt vor allem für Einkäufe in der Innenstadt. Ein Umsteigen hin zu aktiverer Bewegung erreicht man nicht, indem man die Innenstadt überall für Autos zugänglich macht. Die Innenstadt soll zum Verweilen einladen. Das erreicht man mit Aufstellen von Bänken, Spielgeräten für Kindern, Außengastronomie oder mit Kunst, nicht mit zusätzlichen Parkplätzen. Konzepte für bürgerfreundliche Mobilität im Nahbereich gibt es inzwischen in vielen Kommunen, auch in unserer Nachbarschaft. Warum nicht auch in Werther?

Heinz-Peter Kuhlmann

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