Wie kommen wir weg von Gas und Öl?

Energieberater Klaus Michael zu Gast bei den Wertheraner Grünen

Weit über 100 Bürgerinnen und Bürger hatten sich am 26. Mai im Saal des evangelischen Gemeindehauses in Werther eingefunden, um an der Informationsveranstaltung zum Thema „Weg von Gas und Öl – aber wie?“ teilzunehmen. Erwartungsgemäß stieß das Thema auf enormes Interesse. Eingeladen hatte der Ortsverband der Wertheraner Grünen, Referent war Dipl.-Pol. Klaus Michael, der Inhaber des Niedrig-Energie-Instituts Detmold (NEI). Das erwies sich als ausgesprochen gute Wahl. Klaus Michael ist seit 1990 als Energieberater, energietechnischer Planer und Sachverständiger aktiv. Als ausgewiesener Experte hat er im Verlauf von über 30 Jahren viele Tausend Objekte sowohl im Neubaubereich wie auch bei der Altbausanierung beraten und begleitet.

Klaus Michael begann seinen Vortrag mit der Erläuterung der drei entscheidenden Kriterien, die bei allen Maßnahmen im Bereich des Heizens und Sanierens zu berücksichtigen sind: Versorgungssicherheit, Umweltbelastung und Kosten (einschließlich Förderung). Bei den fossilen Rohstoffen, mit denen wir in Deutschland gegenwärtig noch überwiegend heizen, sind wir hochgradig importabhängig: bei Öl zu 100 %, bei Gas zu 95 %; beim Strom hingegen liegt der Import-Anteil unter 5 %. Was die Umweltbelastung angeht, gibt es gewaltige Unterschiede: Für 1 kWh Wärmeerzeugung werden bei Ölnutzung zwischen 330 und 380 g CO2 ausgestoßen, bei Gas zwischen 250 und 300 g. Wärmepumpen kommen beim gegenwärtigen Strommix auf ca. 100 g, bei Nutzung grünen Stroms (bis 2040 angestrebt) sogar nur noch auf 25 g. Kurz und vereinfacht: der CO2-Ausstoß beim Heizen lässt sich bei Umstellung auf Wärmepumpen auf ein Zehntel des heute noch Üblichen reduzieren. Noch günstiger wäre, wo es möglich ist, die Nutzung industrieller Abwärme, da in diesem Fall bereits vorhandene Wärme verteilt wird.

Was Kosten und Förderung angeht, lassen sich laut Klaus Michael kaum allgemeine Aussagen machen, weil erstens jedes Wohnobjekt individuell betrachtet werden muss, zweitens der Markt sehr in Bewegung ist (Wärmepumpen werden vergleichsweise preiswerter werden) und weil drittens die Förderbedingungen gegenwärtig politisch heiß diskutiert werden. Was dabei letztlich herauskommen wird, steht noch nicht fest. Immerhin kann man aktuell im Bereich der energetischen Sanierung mit 15 bis 25 % Fördermitteln rechnen und bei förderfähigen Anlagen zur Wärmeerzeugung mit 30 bis 45 %. Michael empfiehlt deshalb: Weitere Entwicklung auf den Internet-Seiten von BAFA und KfW regelmäßig beobachten!

Wie sollte man nun im Einzelnen bei der privaten Wärmewende vorgehen? Klaus Michael beginnt mit einem kleinen, hilfreichen Exkurs zum Thema Heizen. Nach dem Energieerhaltungssatz der Physik geht in einem geschlossenen System keine Energie verloren. „Warum heizen wir dann eigentlich?“, fragt der Referent und gibt gleich die Antwort: „Durch das Heizen füllen wir nur die Wärme nach, die zugleich durch alle Löcher aus dem Haus herausfließt.“ Also komme es darauf an, den Verlust der Wärme auszugleichen, die durch schlecht gedämmte Bauteile, Ritzen, Fugen, durch Lüften und über Schornsteine entweicht. Kurz: Man sollte „vor allem die Löcher stopfen.“ Bevor man also neue energieeffizientere und weniger umweltschädliche Heizungen plant, sollte man die Einsparpotenziale ausschöpfen und dadurch den Wärmbedarf verringern. Wie wirksam das sein kann, erkennt man beispielsweise, wenn man den Wärmebedarf eines unsanierten Einfamilienhauses mit 160 m2 Wohnfläche von 1950 mit dem eines Neubaus gleicher Größe (nach KfW-40-Standard) vergleicht: Pro Jahr braucht man im alten Haus 56000 kWh (was 5250 Litern Öl entspricht), im neuen stattdessen nur noch 4800 kWh, also weniger als 9 %. Passivhäuser und Null-Energie-Häuser, die es auch schon gibt, schneiden natürlich noch deutlich besser ab.

Zum Teilthema „Dämmung“ empfiehlt Klaus Michael, die unterschiedlichen Problembereiche systematisch auf Dämmmöglichkeiten durchzugehen und dann zu entscheiden: Wo und wie kann man mit dem geringsten Aufwand am meisten erreichen? Zu betrachten sind vor allem Dachbauteile, Obergeschossdecke, Kellerdecke, Außenwände, Fenster (empfehlenswert 3-fach-Wärmeschutz-Verglasung!) und Türen.

Auf besonderes Interesse stößt bei vielen Anwesenden die Frage, mit was für einer Anlage man denn nun zukünftig heizen sollte. Wenn sich nicht industrielle Abwärme nutzen lässt oder der Anschluss an Nah- und Fernwärmenetze möglich ist (was von der kommunalen Wärmeplanung abhängen wird, die jetzt auch in Werther auf Antrag der Grünen auf den Weg gebracht wird), so bleibt als Mittel der Wahl die Wärmepumpe, möglichst unterstützt durch eine eigene Photovoltaik-Anlage. Das Prinzip der Wärmepumpe wird vom Referenten knapp und knackig erläutert („umgekehrter Kühlschrank“), ihre Technik bezeichnet er als simpel, „uralt und erprobt“. Als Wärmequellen kommen Außenluft, Erde oder Wasser in Frage. Wichtig zu wissen: Eine Wärmepumpe arbeitet besonders effektiv, wenn sie keine sehr hohe Temperatur erzeugen muss. Als falsch bezeichnet der Referent die oft verbreitete Annahme, dass sie sich nur in Verbindung mit einer Fußbodenheizung rentabel betreiben ließe. Wenn letztere auch optimal sei, ließen sich viele Altbauten mit herkömmlichen Heizkörpern – eventuell nach gezielter Wärmedämmung – vorteilhaft mit Wärmepumpen heizen. Die Betriebskosten für den notwendigen Strom ließen sich dann über Photovoltaik und Heizwasserspeicher gut abfedern.

Abschließend fasst Klaus Michael zusammen, wie man vorgehen sollte, wenn man die private Wärmewende für sich in Angriff nehmen will: Zunächst den Wärmebedarf verringern, dazu unabhängige Energieberater zur Analyse von Schwachstellen und Prioritätenbildung heranziehen. Dann die Fördermöglichketen prüfen und ausschöpfen. Und schließlich auf eine angepasste CO2-arme Heizung (in den meisten Fällen Wärmepumpe) umrüsten und durch Photovoltaik ergänzen. Sein abschließender Appell: „Denken Sie langfristig! Denn die Preise für die fossilen Energieträger werden durch die Vereinbarungen zum Zertifikathandel noch in diesem Jahrzehnt drastisch steigen. Und wenn Sie es finanziell stemmen können, sollten Sie bei Ihrer Umrüstung nicht ausschließlich auf Wirtschaftlichkeit achten, sondern mehr tun. Unser Grundgesetz enthält den Satz ‚Eigentum verpflichtet‘. Eine drastische Verringerung der CO2-Emissionen ist unverzichtbar, wenn wir uns eine lebenswerte Welt erhalten wollen.“

Bevor die Veranstaltung nach zwei Stunden zu Ende geht, beantwortet der Referent noch eine Reihe Detailfragen aus dem Publikum und wird unter großem Applaus verabschiedet.

Wer sich genauer informieren will, findet die wichtigsten Informationen des Vortrags und viele praktische Tipps auf der Homepage des Referenten unter https://nei-dt.de/videos .

hwh

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