Was uns bewegt – und für GRÜN aktiv werden lässt … (Langfassung)

Gedankenaustausch zwischen „Jung“ und „Alt“: Louisa Mittelberg (20) im Gespräch mit Hans Werner Heymann (73) – Langfassung des Gesprächs

H (Hans Werner): Louisa, ich finde es ganz toll, dass wir uns heute mal ganz frei unterhalten können über unsere Motive, politisch aktiv zu werden. Ich finde das besonders interessant, weil uns ja über 50 Jahre voneinander trennen. Wir gehören ganz unterschiedlichen Generationen an, und umso schöner ist es dann, wenn man sieht, man hat trotzdem gemeinsame Interessen und Ziele.
Du bist ja jetzt von den aktiven Grünen in Werther eindeutig die Jüngste. Was hat dich den dazu bewogen bei uns aktiv mitzuarbeiten? Was war für dich der Anlass?

L (Louisa): Ich hatte schon immer das Interesse, in der Politik mitzuarbeiten, habe aber bisher nie den letzten Schritt geschafft. Als ich jetzt feststellte, dass im September Kommunalwahlen sind, dachte ich: Wenn nicht jetzt, wann dann? Einen besseren Zeitpunkt gibt es doch kaum, weil ich jetzt sofort richtig aktiv werden kann. Und mir war eigentlich schon immer klar, dass es die Grünen sein müssen, weil viele Ideen und Vorstellungen meinen eigenen entsprechen.

H: Welche grünen Themen liegen dir denn besonders am Herzen?

L: Total wichtig ist mir der Umweltschutz, aber auch der soziale Bereich, von Gleichberechtigung bis zu Kindergartenplätzen und Bezahlung des dort tätigen Personals. Gerade im Umweltschutz könnte eine Stadt wie Werther viel tun, denke ich. Fangen wir mal mit etwas Offensichtlichem an, mit den Bedingungen für das Radfahren in Werther. Wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin, merke ich z. B. immer wieder, dass ich total lange mit den Fußgängern zusammen an der Fußgängerampel warten muss und alle Autos an mir vorbeirasen. Da müssten wir als Radfahrer und Fußgänger viel mehr Förderung bekommen. Und dann auch beim Busfahren! Ich bin viel Bus gefahren, weil ich ein Dauerticket hatte, was ich auch schön fand, aber für viele Leute ist es einfach nicht tragbar, wenn sie sich ein Einzelticket für knapp 5 € kaufen müssen …

H: … also z. B. um nach Bielefeld zu fahren?

L: … ja genau, bis nach Bielefeld. Und da ist es halt gemein, das ist ja nicht viel weiter als viele Strecken innerhalb von Bielefeld. Wenn du dir in Bielefeld für eine gleiche lange Strecke ein Ticket kaufst, musst du nur 2,60 € bezahlen, also ungefähr die Hälfte.

H: Das liegt an diesen doofen politischen Kreisgrenzen, nicht?

L: Ja, und da finde ich es einfach so krass, dass einem so große Steine in den Weg gelegt werden. Wenn ich mich nicht täusche ist die Busverbindung Werther- Bielefeld im Kilometervergleich eine der teuersten in Europa.

H: Ja, finde ich alles sehr einleuchtend.

L: Fährst du denn auch mit Bus und Bahn mal?

H: Also ich fahre fast nur mit dem Fahrrad, muss ich sagen …

L: … aber du hast auch ein E-Fahrrad?

H: Ich habe jetzt ein E-Fahrrad, seit ich ungefähr 65 bin.

L: Gut, in dem Alter ist das auch okay!

H: Ja, und ich hab ja bis 2012, vor Werther, im Siegerland gewohnt, da habe ich mir das E-Fahrrad zugelegt, weil es dort richtig viele steile Anstiege gab, die ich täglich bewältigen musste. Da war ich dann immer so durchgeschwitzt, wenn ich das mit meinem alten Fahrrad gemacht habe. Und jetzt im ostwestfälischen Hügelland ist es durchaus auch …

L: … praktisch, ja!

H: … ganz schön. Es hat einen großen Vorteil: Vielleicht würde ich mich für manche Fahrt doch ins Auto setzen, wenn ich nur ein normales Fahrrad hätte. Und jetzt mit dem E-Fahrrad geht es eben leichter. Ich habe gute Allwetter-Kleidung, ich kann praktisch alles mit dem Fahrrad machen – außer wenn ich ganz viel transportieren muss, was sehr selten ist. Jeden Termin in Bielefeld, den ich wahrnehmen muss, mache ich mit dem Fahrrad – Arztbesuche, Einkäufe von Dingen, die man Werther nicht kriegt, Besuche …. Und innerhalb von Werther selbst natürlich erst recht.

L: Ja, auf jeden Fall! Das klingt ja sehr gut. Und wo geht’s dann lang, also nach Bielefeld?

H: Ja, das ist schon das erste Problem. Wenn ich schnell nach Bielefeld muss, fahre ich meist über den Schwarzen Weg, der dann aber leider irgendwann auf die Hauptstraße mündet …

L: … und sehr huppelig ist …

H: … ja, und unheimlich huppelig ist. Und durch Großdornberg wird man dann natürlich auch wieder über die Hauptstraße geleitet, auf diesem schmalen unübersichtlichen Seitenstreifen muss man da fahren – ist nicht so angenehm. Oder ich mach den Weg …

L: … durch die Felder und Wiesen …

H: … ja, bei Rosen Steffen vorbei, über den alten Bahndamm der Kleinbahn. Das ist angenehmer, aber natürlich schon ein Stück weiter …

L: … dauert auch länger …

H: … ja, man braucht mehr Zeit. Es wäre für mich eine tolle Sache, wenn auf die Dauer bessere klare Radverbindungen kriegten.

L: Und ich glaube, dass auch viele Leute, gerade, weil es immer so Schleichwege sind, gar nicht so genau wissen, wo muss ich denn jetzt lang fahren, wenn ich von Werther nach Bielefeld fahren möchte. Da sollte man sich als Stadt doch mal die Aufgabe stellen, brauchbare Empfehlungen herauszuarbeiten: Wir haben euch hier mal einen guten Weg rausgesucht, fahrt den!

H: Genau, es ist nur halbherzig ausgeschildert. Es sind zwar an einigen Stellen Schilder, aber wenn man sich danach orientieren will, ist es schon ein bisschen schwierig.

L: Da kann man glücklich sein, wenn man ankommt. Und es kommt ja auch darauf an, wo ich hinmöchte. Wenn ich nach Bethel möchte, muss ich einen anderen Weg nach Bielefeld nehmen, als wenn ich zum Obersee möchte. Vielleicht kann man da ja als Stadt Werther ein bisschen mehr Unterstützung bieten.

H: Da müsste man natürlich zusammenarbeiten mit den Nachbarkommunen, gerade mit Bielefeld. Aber was man auch noch sagen muss: Die Radwege, die es gibt, sind teilweise ganz ungepflegt, huppelig, und da würde man schon fast lieber über die Straße fahren.

L: Auch in Bielefeld gibt es viele Stellen, wo man sich auf den ausgewiesenen Radwegen total unsicher fühlt, zum Beispiel am Adenauerplatz, wo ich häufig gefahren bin und wo man sich zwischen vier Autospuren durchjonglieren muss. Es gibt ja schon viele Organisationen in Bielefeld, die da etwas anstoßen wollen. Da habe ich letztens auch eine Petition unterschrieben, die bei der Radwelt auslag.

H: Und Fahrradfahren ist ja nicht nur ein Hobby, sondern wirklich auch ein Beitrag zum Klimaschutz.

L: Ja, auf jeden Fall!

H: Man kann natürlich Elektrofahrräder kritisch sehen, aber ich lade schon seit vielen Jahren mit 100 % Ökostrom …

L: … ja, das ist vielleicht nicht das absolut Beste, aber es ist auf jeden Fall besser als Auto …

H: Ja, für den Klimaschutz auf jeden Fall besser als ein Auto. Das ökologisch Fragwürdigste beim E-Rad ist die Herstellung der teuren Akkus. Das ist immer noch ein Problem. Da hoffe ich auf neue Entwicklungen hoffen, die es wahrscheinlich bald gibt. Aber wenn man ein E-Rad nutzt, ist das immer noch viel besser, als so ein Riesenauto in Bewegung zu setzen, wenn man als Einzelperson oder zu zweit irgendwo hin will.

L: Oder man nimmt halt den Bus! Wir haben ja jetzt den ZOB-„Weltbahnhof“. Ich lach immer so ein bisschen darüber und sag, es sieht aus, als würden da jede Minute fünf Busse gleichzeitig abfahren müssen. Schön wär’s, wenn in 15 Minuten ein Bus käme und der pünktlich ist …

H: … ja, aber es ist mal ein Anfang. Es macht schon was her, wenn man ne gute Station zum Einsteigen hat, wo auch angekündigt wird, wann der nächste Bus kommt. Das ist sicher ein Fortschritt gegenüber der Situation vorher.

[Hier ausgelassen: Etwa 10 Minuten unterhalten wir uns über Apps wie Komoot und Outdoor mit digitaler Unterstützung der Streckenführung beim Radfahren; Louisa berichtet über ihre positiven Erfahrungen damit in Berlin, und wir sprechen über die Möglichkeit, dass sich Kommunen mit Geld bei den App-Anbietern einkaufen und beteiligen und Radverbindungen für ihre Bürger*innen gezielt ausweisen.]

H: Jetzt haben wir ja viele Gemeinsamkeiten festgestellt. Gibt es denn spezielle Veränderungen, die du dir als junger Mensch wünschst, wo du sagen würdest, da würden auch manche Leute aus deiner Generation sehr froh drüber sein? Ideen, auf die ich möglicherweise nicht komme, weil ich als älterer Mensch schon ein bisschen anders lebe?

L: Für meine Generation ist es irgendwie ein bisschen schwierig, konkrete Sachen vorzuschlagen, weil halt viele von uns immer den Weg in die große Stadt Bielefeld suchen. Aber für die Jüngeren gäbe es vielleicht etwas, das ganz sinnvoll wäre. Wir haben ja hier im Jugendzentrum schon die Indoor-Skate-Anlage. In Versmold gibt es zum Beispiel eine Inliner-Bahn, die ich gut finde, und ich glaube, so eine ist auch im Bau nicht so teuer. Das ist so eine kleine Runde, die hat ein paar Hügelchen, und das ist ganz cool, darüber mal mit Inlinern zu fahren.

H: Also das ist in Versmold vorhanden, und das gibt es bei uns noch nicht so?

L: Ja genau. Da ist das einfach auf einem Spielplatz. – Was könnte man noch machen? Ich denke Aktionen und coole Workshops, vielleicht auch gerade zum Umweltschutz. Ich glaube, dass da schon Interesse besteht. Das gibt es ja auch ganz viel in Bielefeld. Aber wenn man das vor der eigenen Haustür hat, das wissen wir ja alle, dann hat das einen größeren Anreiz. Vielleicht könnte man eine Baumpflanz-Aktion im Teuto machen. Denn ich glaube, dass viele junge Wertheraner die Zunahme der Waldschäden bedauern und sich freuen würden zusammen neue Bäume zu pflanzen.
Ich glaube, total schwierig ist auch, dass man in Werther immer denkt, oah, die alten Leute haben sich da was überlegt, hoho, da gehen wir nicht hin, das endet im … – was weiß ich, so ähnlich wie Schützenfest oder so. (Beide lachen laut!) Obwohl, wenn man dann da ist, ist es doch immer ganz schön, man trifft ganz viele Leute …

H: Du hast ja jetzt bei der Liste, die die GRÜNEN aufgestellt haben, eine reelle Chance, in den Stadtrat zu kommen. Wäre das zum Beispiel etwas, für das du dich stark machen würdest?

L: Ja, auf jeden Fall, das kann ich mir vorstellen.

H: Vielleicht ist es ja auch ganz gut, wenn man Kontakte zu Nachbarkommunen aufnimmt, eventuell auch zu Mitgliedern anderer Ratsfraktionen in Werther.

L: Ja, habe ich sogar schon. Ich habe nämlich festgestellt, dass eine, mit der ich Abitur gemacht habe, in der SPD aktiv ist. Und ich hab die letztens schon angeschrieben: Hey, du kandidierst ja auch für einen Wahlbezirk in Werther. Hast du auch einen Listenplatz? Das bejahte sie. Und da meinte ich: Dann können wir ja die neue rot-grüne Jungen-Fraktion bilden (beide lachen).

H: Ja, das wäre doch interessant. Aber ich dachte jetzt auch an andere Kommunen in unserer Region. Wie z. B. Versmold, das erwähntest du ja schon, oder Borgholzhausen und andere. Also wenn man die guten Ideen, die man an einem Ort hat, dann weitergibt – da wäre das ja durch Kontakte zwischen den Jüngeren besonders interessant.

L: Auf jeden Fall, vielleicht müssen wir da mal gucken. Also in Versmold und in Bockhorst, da gibt es solche Aktionen für jüngere Leute wie Osterball und so, das ist ja bei uns hier nur das Oktoberfest. Ich weiß nicht, ob da so ein großes Interesse wäre. Ich selbst finde diese traditionellen Sachen immer nicht so gut, mit diesem ganzen Schlagergedöns und so. Aber vielleicht, wenn man das ein bisschen „refreshen“ würde (lacht), wäre es ganz interessant.

H: Das finde ich auch, da könnte man sicher was machen. – Was mich noch mal interessieren würde: Vielleicht vertiefen noch einmal wir das Thema Klimaschutz. Du warst ja wohl auch bei Fridays For Future mit dabei?

L: Ja, genau. Also ich war jetzt nicht irgendwie Hauptorganisatorin, ich war nur Demo-Teilnehmerin. Ich fand es aber immer supergut. Jetzt wegen der Corona-Krise bin ich gar nicht mehr dagewesen. Ich habe Risikogruppen in meiner Familie, da wollte ich dann gern Abstand halten.

H: Das ist ja auch gut.

L: Aber ich finde, man sieht vor allem in der Corona-Krise – dadurch, dass fast gar keine Flugzeuge geflogen sind –, wie schnell sich die Umwelt erholen kann. Und wie schnell wir es schaffen, etwas zu organisieren, wenn es wirklich brenzlig ist. Jeder musste sich innerhalb von zwei, drei Tagen Masken beschaffen, die dann zur Pflicht wurden in öffentlich zugänglichen Gebäuden. Wenn es notwendig ist, dann schaffen wir das. Eigentlich finde ich, man müsste der Umweltkrise ebenso schnell mit geeigneten Maßnahmen begegnen.

H: Es gibt ja sogar noch eine Parallele zur Corona-Krise. Anfangs, als der Verdacht geäußert wurde, wir kriegen eine Pandemie, waren viele der Meinung: Also ich kenne keinen, der erkrankt ist, und mich wird‘s auch gar nicht treffen, und was soll das alles … Und mit der Klimakrise ist es ja oft ähnlich. Man kann von einem Monat auf den nächsten, von einem Jahr ins nächste leben, und die Veränderungen sind alle ganz, ganz klein. Aber wenn man’s dann hochrechnet, was bedeutet das in drei Jahrzehnten oder in hundert Jahren, wenn wir so weitermachen, dann wird es brenzlig …
L: Ja, ja! Das ist halt schwierig. Aber ich finde auch, wenn man jetzt so zurückblickt … die Einschränkungen sind ja bei Corona sehr schnell immer gravierender geworden. Ich überlege gerade: Im Februar war ich noch das letzte Mal im Club in einem DJ-Konzert. Das war so schön, und ich hab gedacht, nächste Woche wieder – und dann war schon der Shutdown.
H: Ja, da musste man sehr schnell reagieren. Jetzt gibt es allerdings einen großen Unterschied: Wenn wir großes Glück haben und irgendwann einen Impfstoff, dann sind wir dieses ganze Corona-Gespenst wieder los. Aber die Bewältigung unserer Klimakrise, unserer gesamten ökologischen Krise, der globalen Ressourcenverschwendung, das ist ein Gemeinschaftsprojekt für Generationen.

L: Auf jeden Fall!

H: Und da müssen wir dann dran bleiben
.

L: Da ist es aber auch wieder so: Ich glaube, in Deutschland oder Europa fühlen sich noch nicht so viele Bürger*innen direkt von der Klimakrise betroffen. Vielleicht Bauern, die sich beklagen, dass ihre Kartoffeln wegen Trockenheit zu wenig wachsen. Das ist dann für uns andere zwar auch blöd, aber es ist ein Problem, dessen Folgen wir im Supermarkt verkraften können und das viele vielleicht auch gar nicht mit der Klimakrise in Verbindung bringen.

H: Ja, das sind so versteckte Entwicklungen, nicht?

L: Genau. Aber zum Beispiel in Kenia sind jetzt total oft Überflutungen, die mit der Klimaveränderung zu tun haben.

H: Naja, und an die langfristigen Folgen mag man kaum denken. Wenn die Eismassen rund um die Polkappen, vor allem in der Antarktis und auf Grönland, vollständig abschmelzen, wird der Meeresspiegel weltweit um mehrere Dutzend Meter steigen. Das wird zwar noch viele Jahrhunderte oder, je nach Modellrechnung, mehrere Jahrtausende dauern. Aber schon bei 2 Grad durchschnittlicher Temperaturerhöhung kommt dieser Prozess unaufhaltsam in Gang – angefangen hat er ja schon.

L: Dann war’s das mit deinem Urlaub auf Langeoog! (lacht bitter)

H: Alle unsere großen Küstenstädte würden dann unter Wasser liegen … und Langeoog natürlich auch, ja. – Gut, das betrifft mich persönlich vermutlich überhaupt nicht mehr, dich vielleicht nur am Rande. Aber wenn man jetzt an die nachfolgenden Generationen denkt, deine Enkelkinder zum Beispiel, wären das bittere Aussichten. Wir müssen also viel tun … Hast du denn auch noch Fragen an mich?

L: Ja, in dem kleinen Steckbrief, in dem du dich vorstellst für deinen Wahlkreis, hast du geschrieben: Klimaschutz fängt im eigenen Haushalt an. Sag mal nur eine Sache, die dir jetzt spontan einfällt, von der du denkst, dies ein guter und vielleicht noch nicht so bekannter Tipp, um die Umwelt zu schützen.

H: Ja, es fängt schon an mit viel kontrollierterem Stromverbrauch. Dass ich also nicht alle Geräte einfach auf Standby stehen lasse, sondern überall Hauptschalter habe. So kann ich Geräte, die ich gerade nicht brauche, vollständig abschalten. Oft lässt sich auch überlegen: Welches Gerät ist wirklich notwendig? Kann ich es nicht ganz abschaffen? Dann auch: kontrolliertes und maßvolles Heizen. Dass wir hier ein Einfamilienhaus gegenwärtig nur zu zweit bewohnen, ist schon ein wahnsinniger Luxus, so etwas ist wahrscheinlich auf Dauer gar nicht mehr mit ökologischer Vernunft vereinbar. Nun haben wir allerdings Kinder und Enkel, die häufig von auswärts zu Besuch sind und für Übernachtungen alle untergebracht werden müssen, von daher haben wir noch ein ganz gutes moralisches Motiv, so zu wohnen. Aber wir haben umso mehr auf eine gute Isolierung geachtet, wir haben hier dieses Haus nach dem Kauf vor acht Jahren gründlich renoviert. Und wir planen eine Photovoltaik-Anlage auf dem Garagen-Flachdach, weil unser Hauptdach von der Ausrichtung her leider nicht gut geeignet ist. Das sind also alles Dinge, die man im eigenen Haushalt machen kann. (Überlegt weiter …) Außerdem man muss sich meines Erachtens in mancher Hinsicht den besonderen Gegebenheiten anpassen. Denn es ist ja auch Blödsinn zu sagen, ich mach jetzt sofort alles neu, was nicht optimal auf Energiesparen angelegt ist. Wir haben zum Beispiel folgendes Problem: Wir haben ärgerlicherweise eine relativ lange Leitung von unserem Warmwasser-Heizkessel zur Dusche im Badezimmer. Wenn man dann warm duschen will, dann läuft erst einmal ganz viel Wasser durch, das natürlich schon mal heiß gemacht war in dem Wasserboiler und dann seit der letzten Nutzung in der langen Rohrleitung abgekühlt ist. Das ärgert uns doppelt, wegen des Energie- und Wasserverlusts. Deshalb haben meine Frau und ich schon mal eingeführt: Wir duschen höchstens jeden zweiten Tag, und dann duschen immer direkt hintereinander. Und das Wasser, das herausfließt, bevor es heiß wird, sammeln wir in zwei großen Gießkannen und nutzen das dann für die nächsten zwei Tage zum Blumengießen.

L: Ach ja! Oder kalt duschen! (Lacht)

H: Kalt duschen ist natürlich noch viel energiesparender. Aber das mach ich nicht das ganze Jahr, dazu bin ich inzwischen zu alt. Als ich jung war, habe ich viel mehr kalt geduscht.

L: Ich habe ja die Hoffnung, dass das bei mir anders herum ist. (Beide lachen) – Wann hast du denn gedacht: O Gott, wir müssen was ändern, Umweltschutz muss passieren? Wann begann das bei dir?

H: Also bei mir fing das an ungefähr in deinem jetzigen Alter, naja, vielleicht war ich etwas älter. Auslöser war ein Buch, das damals Aufsehen erregte, aber von den meisten Politikern leider nicht ernst genommen wurde. Das hieß „Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit.“ Da wurden Modellrechnungen vorgestellt, mit denen gezeigt wurde: Wenn wir so weiter wirtschaften wie bisher, dann werden ganz viele Rohstoffe, die wir jetzt hemmungslos ausbeuten – nicht nur fossile Brennstoffe, sondern auch z. B. Metalle – in absehbarer Zeit erschöpft sein. Auch die sich beschleunigende Umweltverschmutzung war schon Thema, und es wurde klar: Irgendwann werden wir vor dem globalen Kollaps stehen. Manches war im Detail noch nicht so genau vorherzusehen mit den damaligen Computermodellen. Aber die generelle Einsicht, dass unser Planet, das „Raumschiff Erde“, ein begrenztes System ist, die ist nach wie vor uneingeschränkt gültig. Alles, was hier verbraucht wird, muss auf diesem „Raumschiff“ da sein, deshalb müssen wir umstellen auf regenerativen Verbrauch, auf regenerative Energieerzeugung – wir dürfen dem System nicht mehr entnehmen, als nachwachsen kann. Darum hat man ja inzwischen den „ökologischen Fußabdruck“ eingeführt. Wenn alle fast acht Milliarden Menschen auf der Erde durchschnittlich den gleichen ökologischen Fußabdruck hätten wie wir in Deutschland, wäre es schon jetzt ziemlich katastrophal.

L: Ja, ich glaube, wir gehören mit zu den Ländern, die den schlechtesten ökologischen Fußabdruck weltweit haben …

H: … die USA sind noch schlimmer …

L: Aber wir sind unter den TOP 10, würde ich sagen.

H: Leider, leider! – Ich hätte abschließend noch ein Frage: Hättest du eine persönliche Botschaft an die Wählerinnen und Wähler deiner Altersgruppe? Es gibt ja jetzt sehr viele Erstwähler, denn bei der Kommunalwahl darf man ja ab 16 wählen.

L: Ja, auf jeden Fall: Geht am 13. September zur Wahl, das ist total wichtig! Informiert euch! Nagelt eure Lehrer fest, das mit euch zu besprechen – nach den Corona-Beschränkungen wird das wohl wieder klappen –, oder guckt YouTube-Videos, in denen erklärt wird, wie das mit der Wahl funktioniert! Überlegt euch gut, wen ihr wählen wollt, welche Partei! Ich glaube, das Wichtigste ist: Wählt bitte und wählt mit Verstand! Und sorgt dafür, dass wir nicht rechtsradikal werden!

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